Begleitung der Platzweihe Enver-Şimşek-Platz

Am 19.09.2020, 11 Uhr findet die offizielle Platzweihe des neuen Enver-Şimşek-Platzes im Zentrum Winzerlas statt. Wir wollen diesen Moment gemeinsam mit allen Interessierten begleiten und uns mit den anwesenden Familienmitgliedern von Enver Şimşek solidarisch zeigen und ihm gedenken.

Enver Şimşek wurde am 14. Dezember 1961 in Isparta in der Türkei geboren. Er wuchs in einem Dorf namens Salur auf. Dort lernte er auch seine spätere Frau Adile kennen und lieben, beide heiraten 1978. Wenige Jahre später, im Alter von 24 Jahren zog Enver Şimşek nach Deutschland, Adile folgte im ein Jahr darauf. 1986 kam ihre Tochter Semiya zur Welt, kurz darauf ihr Sohn Abdulkerim. Nach wenigen Jahren als Angestellter machte er sich als Blumenhändler selbstständig. Er arbeitete viel um seinen Lebenstraum zu erfüllen.

Am 09.11.2000 geschah der tödliche Angriff auf Enver Şimşek in Nürnberg. Enver Şimşek hinterließ Frau und Kinder, die Familie sah sich bis 2011 vielfachen Verleumdungen, Stigmatisierungen und rassistischen Anfeindungen von Behörden und Gesellschaft ausgesetzt. Was die Betroffenen schon länger ahnten, wurde 2011 einer breiten Öffentlichkeit bekannt. Enver Şimşek und mindestens neun weitere Menschen starben durch Mitglieder des „Nationalsozialistischen Untergrundes“ (NSU), unzählige weitere wurden durch Bombenattentate verletzt.

Seit 2011 sind vielfältige Versuche und Bemühungen unternommen wurden von Untersuchungsausschüssen, Journalist*innen, Antifa-Gruppen und politischen Inititiativen, den rassistischen Terror des NSU und dessen Ermöglichung aufzuklären, anzuklagen und gesellschaftliche Veränderung im Umgang mit Rechtsterrorismus und Rassismus einzuklagen. In Jena, der Stadt in der die Täter*innen sozialisiert wurden und sich politisch radikalisierten wurde die Auseinandersetzung seit jeher vernachlässigt. Von offizieller, städtischer Seite erfolgte der Versuch sich vom Image der Nazistadt freizumachen. Lediglich zivilgesellschaftliche, politische, als auch künstlerische Akteure nahmen das Thema Rassismus und Rechtsterrorismus auf und versuchten es im öffentlichen Bewusstsein der Stadt zu halten. Ihnen ist es zu verdanken, dass die Opfer und die Hinterbliebenen des NSU-Terrors nicht in Vergessenheit geraten. Auch die Verantwortungsübernahme für die Auseinandersetzung mit dem NSU in Jena musste immer wieder eingefordert werden.

Vor zwei Jahren eröffnete ein Beteiligungsprozess zur Quartiersentwicklung in Winzerla die Möglichkeit das Andenken an die Betroffenen des NSU im Stadtteil öffentlich sichtbar werden zu lassen. Vorherige Versuche von Straßenumbenennungen im Stadtteil verblieben symbolisch ohne Ressonanz von offizieller Seite. Entgegen Widerständen aus der städtischen Verwaltungsspitze wurde die Benennung eines bisher namenlosen Platzes in Enver-Şimşek-Platz im Herzen Winzerlas erkämpft. Den neuen Platz wird zukünftig auch eine Gedenkplakette zieren, ohne die kritische Begleitung von Engagierten aus der Zivilgesellschaft würde der Text Enver Şimşek jedoch nicht in diesem Maße würdigen. Das Ringen um Aufklärung der Tatumstände aller Morde und Anschläge des NSU ist noch nicht vorbei. Die Ermordeten und ihre Lebensgeschichten dürfen nicht in Vergessenheit geraten. Wir werden auch zukünftig ihrer erinnern und dies von der (Stadt-)Gesellschaft einfordern.

**Bitte haltet euch an die geltenden Abstandsregelungen und das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes. Personen mit erkennbaren Krankheitssymptomen bitten wir von der Veranstaltung fern zu bleiben**