Den Betroffenen des NSU gedenken – eine Aufforderung an die Stadt Jena und JenaKultur

In diesem Jahr sind die zwanzigsten Todestage von Abdurrahim Özüdoğru, Süleyman Taşköprü und Habil Kılıç. Die Todestage von Abdurrahim Özüdoğru und Süleyman Taşköprü jährten sich bereits am 13. und 27. Juni, Habil Kılıç starb am 29. August. Allen ist gemeinsam, dass sie durch die Mitglieder des NSU brutal ermordet wurden, da sie in der rassistischen Ideologie der Täter:innen keine gleichberechtigten Mitglieder dieser Gesellschaft waren.
Das maßgeblich durch die Stadt Jena und JenaKultur geplante Programm „Kein Schlussstrich! Jena und der NSU“ nimmt die drei Todestages und den 10. Jahrestag der Selbstenttarnung zum Anlass, sich umfangreich mit den Taten und der Entstehung des NSU zu beschäftigen. Das Programm soll auch Anstoß für eine lokale Bewusstwerdung der zu tragenden Verantwortung darstellen und für die Perspektive der von Rassismus und rechter Gewalt Betroffenen sensibilisieren.

Als Gruppe NSU-Komplex auflösen Jena begleiten wir die Programmplanung seit 1,5 Jahren konstruktiv, kritisch und mit gebotener Skepsis. Denn nur die wenigsten staatlichen Akteur:innen haben zur Aufklärung und Aufarbeitung des NSU-Komplexes beitragen. Vertrauen in ihr Agieren ging verloren, reproduzierten sie selbst Rassismen im Umgang mit den Betroffenen oder entzogen sich dem Aufklärungsversprechen nach der Selbstenttarnung 2011. Daher messen wir das städtische Programm auch an den Punkten Glaubwürdigkeit, Vertrauen und Nachhaltigkeit.

Glaubwürdigkeit im Umgang mit Betroffenenperspektiven heißt für uns, wie auch für die Organisator:innen der Gedenkkundgebungen anlässlich der Todestage aller bekannten Betroffenen des NSU, ihrer zu erinnern, ihre Biographien nicht zu vergessen, die Forderungen der Angehörigen zu unterstützen und die Jenaer Stadtgesellschaft, die Rückzugs- und Ermöglichungsräume für rechte Gewalt bot, mit den Auswirkungen neonazistischer und rassitischer Gewalt zu konfrontieren. Für dieses Engagement wurde im letzten Jahr sogar der Jenaer Preis für Zivilcourage verliehen.
Seit Beginn der Gedenkkundgebungen ward bisher nur einmal, und auf explizite Einladung hin, der aktuelle Jenaer Sozialdezernent anwesend, andere städtische Vertreter:innen nicht. Auch die Social media Kanäle der Stadt schwiegen bisher an den Todestagen.
Ist die Erinnerung an Abdurrahim Özüdoğru, Süleyman Taşköprü und Habil Kılıç daher nur ein pflichtbewusst zu nennender Anlass bei Förderanträgen und Programmankündigungen? Eine aktive Gedenkpraxis folgt daraus bisher jefenfalls nicht. Was heißt denn dann Perspektive der Betroffenen in der Stadt aus der die Täter:innen kamen, wenn man sich ihrer nicht erinnert?

Gerade das offenkundig gebotene Gedenken an die Opfer an den Todestagen, die scheinbar kleinen Symbole würden den Beobachtenden vermitteln, dass die Bemühungen der Stadt dieses Jahr nicht im Symbolischen stehenbleiben, sondern Aufarbeitung voranbringt und selbst daran mitwirkt, dass sich die Stadtöffentlichkeit vor ihrer Geschichte nicht wegducken kann. So aber bleibt weiterhin der Eindruck, dass die Stadt zu jedem kleinen Schritt, zu einem angemessenen Gedenken, zur notwendigen Aufarbeitung und internen Sensibilisierung hingetragen werden muss. Vertrauen entsteht so nicht.

NSU-Komplex auflösen Jena