Kein Vergessen – Kein Vergeben. Zum Gedenken an Theodoros Boulgarides

Jena, 15.06.2019

Es ist der 15. Juni 2005, heute vor 14 Jahren. Theodoros Boulgarides steht hinter dem Tresen seines Geschäftes. Gemeinsam mit einem Geschäftspartner hat er sich zwei Wochen vorher seinen Traum erfüllt, und einen Schlüsseldient eröffnet. Der Kompagnon macht das technische, Theodoros Boulgarides ist für das kaufmännische zuständig. Es wird der letzte Tag in seinem Leben sein.

Am frühen Abend betreten die Neonaziterroristen des Nationalsozialistischen Untergrundes sein Geschäft. Ein erster Schuss trifft Theodoros Boulgarides ins Gesicht und er geht hinter seinem Tresen zu Boden. Seine Mörder umlaufen den Tresen und schießen dem am Boden liegenden zwei weitere male in den Kopf.

Wenig später beginnt das Telefon im Geschäft zu klingeln. Es ist der Kompagnon von Theodoros Boulgarides, Wolgang F. Als der seinen Geschäftspartner mehrfach nicht erreicht, beginnt er sich Sorgen zu machen. Theodoros Boulgarides gilt als äußerst zuverlässig. Wolfgang F. setzt sich ins Auto und fährt zum gemeinsamen Geschäft in die Münchner Trappentreustraße. Dort angekommen kann er genauso wie die später dazu gerufenen Sanitäter nur feststellen, dass Theodoros Boulgarides nicht länger am Leben ist.

Die Vernehmungen durch die Polizei die Folgen, empfindet Wolfgang F. als schikanös. Er wird immer vorgeladen worden und zu den gleichen Dingen befragt. Ob Theodoros Boulgarides sex- oder spielsüchtig ist wollte die Polizei von ihm wissen. Bis dahin gilt Theodoros Boulgarides als unbescholten, sein Führungszeugnis war sauber.

Auch der Witwe von Theodoros Boulgarides werden solche Märchen erzählt. Ihr Mann hätte Edelprostituierte frequentiert und sich dabei verliebt, ist eine der steilen Thesen, mit denen die Ermittler Yvonne Boulgarides konfrontieren. Sie testen sie ebenso mit schäbigen Geschichten von Wettmafia und Drogenhandel. Alles um zu sehen, ob sich nicht doch eine verräterische Reaktion provozieren lässt. Sie bezeichnen sie als dämlich, weil sie von all dem nichts mitbekommen haben soll. Am Ende wurde Yvonne Boulgarides selbst verdächtigt, siehätte ihren Mann getötet oder töten lassen. Bei den Töchtern von Theodoros Boulgarides wurde nachgefragt, ob ihr Vater sie sexuell missbraucht hätte.

Als diese Ermittlungen zu nichts führen, werden die Beamten noch kreativer. Zwei Beamte tarnen sich als Privatdetektive und kontaktieren die Familie. Fünf weitere Beamte versuchen das gleiche und geben dafür vor, Journalisten zu sein. Sie sollen schaffen, was den Polizisten bisher nicht gelungen ist: die Sympathie der Angehörigen zu gewinnen und darüber neue Ermittlungsansätze generieren.

In der Zwischenzeit verdächtigen die Beamten den Bruder Gavriil Boulgarides, Wett- und Glücksspiel zu betreiben, und halten ihn für das wahre Ziel der Mörder. Durch die Ermittlungen wurde das tägliche Leben in München für ihn unerträglich. Die Familie wurde von allen Verwandten, Freunden und Bekannten ausgegrenzt. Niemand wollte Kontakt mit ihnen. Selbst innerhalb der Familie gab es Probleme. Durch den Mord und die Ermittlungen herrschte Misstrauen, Verzweiflung, Fassungslosigkeit.

Wir sehen beim Mord an Theodoros Boulgarides ein weiteres Mal, die Monstrosität des NSU-Komplexes. Neonazis begehen einen rassistischen Mord, Familie und Umfeld des Ermordeten bleiben ratlos zurück und werden dann von den Ermittlern ein zweites Mal zu Opfern gemacht. Ihnen wird Zuhälterei, Drogengeschäfte, Mafiahändel, Menschenschmuggel, Schutzgelderpressung oder Frauengeschichten angedichtet, denn es kann nicht sein, was nicht sein darf. Dass Neonazis jahrelang durch die Bundesrepublik ziehen und Menschen ermorden.Wir erneuern deswegen ein weiteres Mal unsere Forderung nach der Aufklärung des NSU-Komplexes.

Verantwortliche aus der rechten Szene, dem Verfassungsschutz und Ermittlungsbehörden müssen zur Verantwortung gezogen werden. Wir rufen auf zur Solidarität mit den Hinterbliebenen und Betroffenen des NSU-Terrors. Die Familie von Theodoros Boulgarides rund um seinen Bruder Gavriil lebt inzwischen wieder in Deutschland. Eine Zeitlang aber, war das Leben hier für sie unerträglich. Gavriil Boulgarides hat das so beschrieben: „Wenn niemand mehr etwas mit dir zu tun haben will, ist es sehr schwierig, das Allerschwierigste. Deswegen sind wir 2009 wieder zurück nach Griechenland gegangen, nachdem wir 37 Jahre lang hier gelebt haben.“

Ich bitte euch um einen Moment der Stille für Theodoros Boulgarides.