Gedenken 2025 Theodoros Boulgarides

Wir sind heute zusammengekommen um Theodoros Boulgarides zu gedenken, der am 15. Juni 2005, heute vor 20 Jahren, durch den NSU in München ermordet wurde.

Es ist der 15. Juni 2005, heute vor 20 Jahren.
Theodoros Boulgarides steht hinter dem Tresen seines Geschäftes. Gemeinsam mit einem Freund hat er sich zwei Wochen zuvor seinen Traum erfüllt, und einen Schlüsseldienst eröffnet. Der Geschäftspartner macht das technische, Theodoros Boulgarides ist für das kaufmännische zuständig. Es wird der letzte Tag in seinem Leben sein.
Am frühen Abend betreten die Terrorist*innen des Nationalsozialistischen Untergrundes sein Geschäft. Ein erster Schuss trifft Theodoros Boulgarides ins Gesicht und dieser geht hinter dem Tresen zu Boden. Seine Mörder laufen um den Tresen und schießen dem am Boden liegenden Theodoros noch zwei Mal in den Kopf.
Wenig später beginnt das Telefon im Geschäft zu klingeln. Es ist der Freund von Theodoros Boulgarides, Wolgang F. Als dieser seinen Geschäftspartner mehrfach nicht erreicht, beginnt er sich Sorgen zu machen. Theodoros Boulgarides gilt als äußerst zuverlässig. Wolfgang F. setzt sich ins Auto und fährt zum gemeinsamen Geschäft in die Münchner Trappentreustraße. Dort angekommen kann er genauso wie die später dazu gerufenen Sanitäter*innen nur feststellen, dass Theodoros Boulgarides nicht mehr am Leben ist.
Die Vernehmungen durch die Polizei, empfindet Wolfgang F. als Schikane. Er wird immer wieder vorgeladen und zu den gleichen Dingen befragt. Ob Theodoros Boulgarides sex- oder spielsüchtig ist, wollte die Polizei von ihm wissen. Bis dahin gilt Theodoros Boulgarides als unbescholten, sein Führungszeugnis war sauber.
Auch der Witwe von Theodoros Boulgarides werden solche Märchen erzählt. Ihr Mann hätte Edelprostituierte frequentiert und sich dabei verliebt, ist eine der steilen Thesen, mit denen die Ermittler*innen Yvonne Boulgarides konfrontieren. Sie testen sie ebenso mit schäbigen Geschichten von Wettmafia und Drogenhandel. Alles um zu sehen, ob sich nicht doch eine verräterische Reaktion provozieren lässt. Sie bezeichnen sie als dämlich, weil sie von all dem nichts mitbekommen haben soll. Am Ende wurde Yvonne Boulgarides selbst verdächtigt, sie hätte ihren Mann getötet oder töten lassen. Bei seinen Töchtern wurde nachgefragt, ob ihr Vater sie sexuell missbraucht hätte.

Als diese Ermittlungen zu nichts führen, werden die Beamt*innen kreativer. Zwei Polizist*innen tarnen sich als Privatdetektive und kontaktieren die Familie. Fünf weitere Beamt*innen versuchen das gleiche und geben dafür vor Journalist*innen zu sein. Sie sollen schaffen, was den Polizist*innen bisher nicht gelungen ist. Die Sympathie der Angehörigen zu gewinnen und darüber neue Ermittlungsansätze generieren.
In der Zwischenzeit verdächtigen die Beamt*innen den Bruder Gavriil Boulgarides, Wett- und Glücksspiel zu betreiben, und halten ihn für das wahre Ziel der Mörder. Durch die Ermittlungen wurde das tägliche Leben in München für ihn unerträglich. Die Familie wurde von allen Verwandten, Freund*innen und Bekannten ausgegrenzt. Niemand wollte Kontakt mit ihnen. Selbst innerhalb der Familie gab es Probleme. Durch den Mord und die Ermittlungen herrschte Misstrauen, Verzweiflung, Fassungslosigkeit.
Wir sehen beim Mord an Theodoros Boulgarides ein weiteres Mal, die Monstrosität des NSU-Komplexes.
Neonazis begehen einen rassistischen Mord, Familie und Umfeld des Ermordeten bleiben ratlos zurück und werden dann von den Ermittler*innen ein zweites Mal zu Opfern gemacht.
Ihnen werden Zuhälterei, Drogengeschäfte, Menschenschmuggel, Schutzgelderpressung oder Frauengeschichten angedichtet, denn es kann nicht sein, was nicht sein darf. Dass Neonazis jahrelang durch die Bundesrepublik ziehen und ungestört Menschen ermorden.

Wir erinnern heute an die Ermordung von Theodoros Boulgarides.
Wir erinnern daran, dass der NSU-Komplex bis heute nicht vollständig aufgeklärt ist.
Wir erinnern daran, dass bis heute nicht alle Unterstützer*innen bekannt sind, geschweige denn angeklagt wurden.
Wir erinnern daran, dass das Vernichten der Akten des Verfassungsschutzes keine Konsequenzen hatte.
Und wir erinnern daran, dass die Akteur*innen aus der rechten Szene, den Ermittlungsbehörden und dem Verfassungsschutz nicht zur Verantwortung gezogen wurden.
Wir erneuern deswegen ein weiteres Mal unsere Forderung: Der NSU-Komplex muss restlos aufgeklärt werden!
Verantwortliche aus der rechten Szene, dem Verfassungsschutz und den Ermittlungsbehörden müssen zur Verantwortung gezogen werden.
Das sind wir den Opfern, ihren Familien und den Betroffenen schuldig.

Die Familie von Theodoros Boulgarides rund um seinen Bruder Gavriil lebt inzwischen wieder in Deutschland. Eine Zeit lang aber, war das Leben hier für sie unerträglich. Gavriil Boulgarides hat das so beschrieben: „Wenn niemand mehr etwas mit dir zu tun haben will, ist es sehr schwierig, das Allerschwierigste. Deswegen sind wir 2009 wieder zurück nach Griechenland gegangen, nachdem wir 37 Jahre lang hier gelebt haben.“
Heute vor 19 Jahren wurde Theodoros Boulgarides vom NSU ermordet. Theodoros Boulgarides wurde 41 Jahre Jahre alt. Er hinterließ seine Frau und zwei Töchter.

Ich bitte euch um einen Moment der Stille für Theodoros Boulgarides.

Das Kerntrio des NSU kam aus Jena. Die Mörder von Theodoros Boulgarides, und mindestens 9 weiteren Menschen, haben sich hier kennengelernt, sind hier zur Schule gegangen, haben hier Einrichtungen der Jugendarbeit nutzen und sich nicht zuletzt auf eine Gesellschaft verlassen können, die ihrer rassistischen und rechten Gewalt weitgehend gleichgültig gegenüberstand.
Auch deshalb liegt es in unserer Verantwortung als Menschen dieser Stadt eine Erinnerung und Erinnerungskultur für die Opfer des NSU zu schaffen und aufrechtzuerhalten. Wir werden nicht vergeben was geschehen ist, wir werden nicht vergessen. Wir wollen eine Situation schaffen, in der es unmöglich ist, dass sowas nochmal geschieht. Doch leider müssen wir einsehen, dass es bis dahin noch ein weiter Weg sein wird. Wir laden euch ein, am Montag, dem 23. Juni, wieder hier um 16 Uhr gemeinsam zu gedenken. Es ist der 26. Jahrestag des Bombenanschlags durch den NSU in Nürnberg.