Gedenken 2025 Mehmet Kubaşik

Es ist der 04. April 2006, heute von 19 Jahren. Mehmet Kubaşik weckt seine Tochter Gamze. Danach geht er in seinen Kiosk in der Dortmunder Mallinckrodtstraße und frühstückt dort mit seiner Frau Elif.

Es wird der letzte Tag in seinem Leben sein.

Vermutlich gegen 12:55 Uhr betreten Neonaziterroristen des NSU das Geschäft und schießen ihn mit zwei Schüssen in den Kopf. Er stirbt sofort. Zwei weitere Kugeln verfehlen ihr Ziel. Später findet eine Kundin den Leichnam von Mehmet Kubaşik hinter dem Tresen.
Gamze Kubaşik, die Tochter von Mehmet Kubaşik, hat im Verfahren vor dem Oberlandesgericht in München und in Interviews Auskunft darüber gegeben, wie sich der Mord an ihrem Vater und seine Folgen auf die Familie ausgewirkt haben.
Wie sie selbst immer wieder Angstzustände hatte und sich nicht mehr aus dem Haus traute.
Wie sich der jüngere Bruder auf dem Schulhof prügelte, weil andere die Familie Kubaşik als keine „gute Familie“ bezeichnet haben.
Wie „Männer in weißen Anzügen im Schlafzimmer der Eltern waren und Hunde an den Sachen herumschnüffelten“.

Das Getuschel und Gerede in der Umgebung.
Wie immer wieder der Verdacht auf Drogenhandel oder Verbindungen zur PKK konstruiert wurden.
Wie Konten und Telefone überprüft wurden.
Wie die ganze Familie Speichelproben abgeben musste.
Wie ihr Aussagen, die sie unter Schock am Tatort getätigt hatte, später als „verdächtiges Wissen“ vorgehalten wurden.
Wie dem Vater Verhältnisse mit anderen Frauen oder Beziehungen zur Mafia unterstellt wurden.
Wie auf der Straße mit Fingern auf sie gezeigt wurde.
Wie Verwünschungen gegen die Kubaşik-Kinder ausgestoßen wurden.
Wie die angstvolle Ungewissheit darüber, wer hinter dem heimtückischen Anschlag stecken könnte, der ganzen Familie den Boden unter den Füßen weggezogen hat.Aber es gab Hinweise auf den rassistischen Hintergrund der Tat. Eine Passantin z.B., die der Polizei zwei Personen am Tatort beschrieb, die sie eingeschüchtert hatten und die sie als, Zitat: „Junkies oder Nazis“ identifizierte. Ebenso wies die Familie Kubaşik auf einen möglicherweise rechten Hintergrund der Tat hin. All das interessierte die Ermittler:innen aber nicht. Stattdessen schloss der leitende Staatsanwalt damals, Zitat: „dass es sich um einen Schlusspunkt unter einer Auseinandersetzung zwischen Gewerbetreibenden handelt“. Dass Mehmet Kubaşik ermordet wurde, weil er selbst in kriminelle Machenschaften verwickelt gewesen war, war für die Ermittler:innen der einzig mögliche Schluss.

Dortmund war und ist ein Zentrum der rechten Szene. In einem Netzwerk aus Kameradschaften, Rechtsrockbands und rechten Hooligans gab es dort auch eine Combat-18-Zelle. Deren ideologischer Unterbau entspricht dem des NSU. Das Kerntrio des NSU hatte in seinem Versteck auffällig viele Ausspähnotizen zu Dortmund. Darin befanden sich Adressen türkischer Imbisse oder Kioske, zu denen Ortsfremde nicht leicht Zugang gehabt hätten. Auch bei diesem Mord in Dortmund haben die Neonaziterrorist:innen des NSU den Tatort und ihr Opfer gezielt ausgekundschaftet. Sie haben den Zeitraum abgepasst, in dem Mehmet Kubaşik im Laden war.
Für die Hinterbliebenen von Mehmet Kubaşik ist das Aufklärungsversprechen, dass ihnen die Bundeskanzlerin 2012 gegeben hat, bis heute nicht erfüllt. Elif Kubaşik hat vor dem Münchener Oberlandesgericht ihrem Zorn darüber Ausdruck verliehen. „Warum genau mein Mann? Warum Dortmund? Gab es Helfer? Leute, die ich heute noch sehe? Die Bundesregierung hat ihr Versprechen bis heute nicht gehalten.“