Videobotschaft zum Gedenken an Halit Yozgat 2020

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Link zur Initiative 6.April Kassel und #HalitGedenken – Digitale Versammlung zum Gedenken an Halit Yozgat.

Liebe Familie Yozgat, liebe Freundinnen und Freunde von Halit Yozgat, liebe Zuhörende,

wir, die Ortsgruppe Jena des Netzwerks „NSU-KOMPLEX AUFLÖSEN“, senden euch solidarische Grüße aus Thüringen. Wir wünschen euch für den heutigen Tag, den vierzehnten Todestag von Halit, viel Halt, Kraft und kämpferische Zuversicht.
Wir hoffen, dass es auch unter diesen schwierigen Bedingungen gelingt ein würdevolles und vielstimmiges Gedenken zu organisieren. Letztes Jahr zu dieser Zeit haben wir zusammen mit den Geschichtswerkstätten zum NSU-Komplex aus Chemnitz und Zwickau eine gemeinsame Busanreise zur Gedenkdemonstration nach Kassel organisiert. Da dies dieses Jahr aufgrund des Corona-Virus leider nicht möglich ist, beteiligen wir uns gerne in dieser Form.

In dem dazwischen liegenden Jahr müssen wir auf eine erschreckende und tödliche Regelmäßigkeit von rechten Anschlägen zurückblicken: der rechtsterroristische Mord an Walter Lübcke, der versuchte antisemitische Anschlag auf die Synagoge in Halle, in dessen Zuge zwei Menschen getötet wurden und schließlich der verheerende rassistische Anschlag in Hanau offenbaren uns die ungebrochene Kontinuität von rechtem Terrorismus in Deutschland.

Die Öffentlichkeit muss sich im Klaren darüber sein, dass Rechtsterrorismus weder mit dem NSU begann noch mit ihm endete. Besonders der Mordfall Lübcke ist auch eine Konsequenz aus mangelnder Aufklärung des NSU-Komplexes, der bis heute fortwirkt. Weder wurden die Unterstützungsnetzwerke des NSU-Kerntrios in Hessen oder im Umfeld weiterer Tatorte ausermittelt, noch wurde die Verbindungen zu und die Rolle des Verfassungsschutzes zum Gegenstand des Prozesses in München gemacht. Akteneinsicht wurde teilweise für Jahrzehnte unterbunden. So wird nun erschreckend deutlich, dass es teilweise dieselben Unterstützungsnetzwerke sind, die hinter dem Morden stehen. Erneut ist auch Andres Temme in den Fall verstrickt, also jener Mitarbeiter des hessischen Verfassungsschutzes, der auch schon zum Tatzeitpunkt des Mordes an Halit im Internetcafé anwesend war.

Deshalb ziehen wir keinen Schlussstrich unter den NSU und rufen auf, es uns gleich zu tun. Wir kämpfen daher in Jena, Kassel und anderen Tatorten für ein würdiges Gedenken, für die Umsetzung der Forderungen der Angehörigen und für die Aufklärung des NSU-Komplexes. Gemeinsam gestalten Betroffene rechter Gewalt und weitere Engagierte seit über einem Jahr regelmäßig Gedenkveranstaltungen an einer Stele in der Jenaer Johannisstraße um den Opfern des NSU zu erinnern. Sie setzen damit ein sichtbares Zeichen der Solidarität und fordern städtische Verantwortungsübernahme und Aufarbeitung ein.

Nach einigem politischen Ringen soll in Jena bald ein Platz in Enver Şimşek-Platz neu benannt werden. Bislang erinnert auch im Stadtteil Winzerla, in dem die Mitglieder und Unterstützer*innen des späteren NSU maßgeblich sozialisiert und im lokalen Jugendclub hofiert wurden, nichts an die Opfer des NSU. Wir begrüßen diesen Schritt deshalb ausdrücklich – und sehen darin dennoch nicht mehr als einen allerersten Schritt der Stadt ihre Rolle im NSU-Komplex anzuerkennen und gerecht zu werden. Bislang ist viel zu wenig passiert.

Doch nicht nur dieser lange Weg, sondern auch die Situation in Kassel machen deutlich, dass Erinnern immer noch kämpfen heißt. Lasst uns deshalb als lokale Initiativen auch weiterhin solidarisch untereinander in Kontakt bleiben, lasst uns zusammenstehen und zusammen gedenken; lasst uns zusammen mahnen, dass die zentralen Forderungen der Eltern von Halit – nämlich die Holländische Straße endlich in Halitstraße umzubenennen und die Verstrickung von Temme aufzuklären – immer noch unerfüllt sind. Lasst uns zusammen „keinen Schlussstrich“ unter den NSU-Komplex ziehen.

Wir sehen uns im kommenden Jahr in Kassel.

In Verbundenheit, eure Ortsgruppe Jena des Bündnisses „NSU-KOMPLEX AUFLÖSEN“