Auftakt zur Diskussion um Veranstaltungskonzept 2021 der Stadt Jena

Wir waren heute beim Runden Tisch für Demokratie, um mit über das „Gedenkkonzept“ der Jena – Lichtstadt mit OB Thomas Nitzsche zu diskutieren und unsere Initiative vorzustellen. Wir haben die Grundprinzipien unserer Arbeit dargelegt, die sich aus den Diskussionen seit dem Bekanntwerden des NSU-Komplexes ergeben, obgleich diese Diskussionen nicht abgeschlossen sind. An diesen misst sich unsere Arbeit und auch ein städtisches Gedenken. Die Forderungen richten sich nicht nur an die Stadt, sondern auch an Zivilgesellschaft, Medien und Institutionen. Sie alle sind Teil des NSU-Komplexes.
Wir hoffen, die heutige Veranstaltung war der Auftakt für einen Diskussionsprozess. Wir werden uns weiterhin kritisch einmischen!

 
Aufarbeiten – Aufklären – Gedenken – Erinnern
(1)
Der NSU-Komplex muss als die Verbindung von eliminatorisch neonazistischen Rassismus, institutionellen Rassismus und Gleichgültigkeit der Mehrheitsgesellschaft (rassistisch verfasste Gesellschaft) begriffen und erinnert werden. Andernfalls wir seine Funktionsweise und Wirkmächtigkeit heute, wie damals verkannt. Darunter fallen auch folgende Aspekte:
  •  Rassistische Berichterstattung in Medien, die bis heute anhält.
  • Verharmlosung und Entpolitisierung von rechter Gewalt in (Stadt-)Gesellschaft und Verwaltung
  • Diffamierung von Betroffenen und solidarischen Strukturen
  • Extremismustheorie
(2)
Die Perspektiven von Betroffenen müssen im Zentrum des Gedenkens stehen. Die Angehörigen der NSU-Mordopfer und die Betroffenen der Bombenanschläge verwiesen schon früh auf einen möglichen neonazistischen Hintergrund der Taten. Die Betroffenen und Angehörigen der Opfer sind – sofern sie dies selbst begrüßen – einzubeziehen. Die Forderungen der Betroffenen nach vollständiger Aufklärung des NSU -Komplexes ist dabei als zentral anzusehen und zu unterstützen. Daraus folgt – auch in Jena: Kein täterzentriertes Gedenken!
Der Zeitpunkt der städtischen Initiative suggeriert eine unmittelbare Bezugnahme auf die Selbstenttarnung des Kerntrios, die sich 2021 zum zehnten Mal jährt.
 
(3)
Die Triothese muss als verharmlosende Legendenbildung zurückgewiesen werden.
 
Deshalb muss sich die Stadt auch fragen, welche (Kontinuitäten an) rechten Netzwerke(n) es gibt und welche Nazis (mit Verbindungen zum Kerntrio) noch in Jena leben. Das zu verstehen bedeutet, zu begreifen, dass es nicht einfach um das „Image der Stadt“ geht, das „zu Unrecht“ schlecht ist, nachdem „die drei“ doch nicht mehr da sind. Auch heute noch gibt es reale Bedrohungen durch Neonazis in Jena.
Eine Konsequenz daraus ist für uns außerdem, dass jeglicher namentlicher Bezug im Veranstaltungstitel auf ein Trio daher abzulehnen ist.
 
(4)
Der Beitrag des Verfassungsschutzes (insbesondere, aber nicht nur in Thüringen) zum NSU-Komplex muss klar benannt (insb. V-Personen-Praxis, VS-Grundsatz: „Quellenschutz vor Opferschutz“, Schreddern und erfolgreich blockierte Aufarbeitung, politische Stärkung des VS). Andernfalls droht das Veranstaltungskonzept u.a. hinter die Erkenntnisse der Thüringer Untersuchungsausschüsse, journalistischer und antifaschistischer Recherchen zurückzufallen.
 
(5)
Es muss klar benannt werden, was über den NSU-Komplex bekannt ist und welche Wissenslücken einer vollständigen Aufklärung entgegenstehen. Kontinuitäten rechter Netzwerke müssen deutlich gemacht, benannt und verurteilt werden. In diesem Sinne darf es keinen Schlussstrich geben!
 
(6)
Schlussendlich und aus aktuellem Anlass: Ein Gedenken und eine Aufarbeitung des NSU muss zwingend eine klare Abgrenzung gegenüber der AfD bedeuten und schließt jedwede Kooperation oder das Begrüßen derselben selbstverständlich aus. Alles andere wäre ein Schlag ins Gesicht der Angehörigen der Opfer des NSU, die ihre Ablehnung der AfD mehrfach unmissverständlich deutlich gemacht haben.
 
Was können Aufarbeitung und Gedenken im Kontext des NSU-Komplexes demnach in Jena bedeuten?
  • kommunale/staatliche Verantwortung benennen und konsequentes Vorgehen gegen rechts in der Gegegenwart ableiten. Verantwortung der Verwaltung (Jugendamt) eingestehen, das Stadtprogramm muss um konkrete Handlungsanweisungen für die Stadtverwaltung ergänzt und ernst genommen werden.
  • Archive schaffen: Öffentlich zugänglich machen der städtischen Aktenbestände mit Bezug zum NSU.
  • Stichtbarmachung der Namen der Betroffenen durch Straßenbenennungen und das Schaffen von Erinnerungsorten.
  • Das Erinnern und Gedenken nicht gänzlich nach Winzerla und auf Hugo/Jugendarbeit auslagern und damit verengen.
  • NSU als Teil der offiziellen Stadtgeschichtsschreibung anerkennen und in diese Aufnehmen.
Grundsätzlich: Wir wollen kein Image-Festival wie die „Rock ’n’ Roll-Arena Jena“ sondern die Anerkennung der Verantwortung, Erinnern an die Opfer des NSU, die Aufklärung des und Aufklärungsarbeit über den NSU-Komplexes sowie: Langfristiges Engagement gegen Rassismus und die extreme Rechte.