Enver Şimşek-Platz

Chronik der Platzbenennung Enver Şimşek Jena-Winzerla

Einleitung

Enver Şimşek wurde am 11.09.2000 in Nürnberg vom NSU ermordet. Er war das erste Opfer in der rassistischen Mordserie des NSU, dessen Kernmitglieder aus Jena stammen. Laut Beschluss des Kulturausschusses der Stadt Jena soll es im Stadtteil Winzerla zukünftig einen Enver-Şimşek-Platz geben. Der Ausschuss folgt damit einem entsprechenden Bürgervotum und der Empfehlung des Ortsteilrats. Die Entscheidung gilt vorbehaltlich der ausdrücklichen Zustimmung der Familie Şimşek.
Auch wir haben uns für die Neubenennung des Platzes als Enver-Şimşek-Platz eingesetzt und begrüßen den entsprechenden Beschluss. Wir werten dies als Erfolg und als einen ersten Schritt, an die Opfer des NSU und seine Entstehung in Jena öffentlich und nachhaltig zu erinnern.
Allerdings kam dieser Beschluss der Stadt nicht so gradlinig zustande, wie es im Rückblick erscheinen könnte und wurde er keineswegs von allen Beteiligten zu jeder Zeit unterstützt. Besonders der Oberbürgermeister Nitzsche wandte sich anfangs gegen die Initiative und schwenkte erst später auf den Vorschlag ein. Dies kann sinnbildlich für den (Nicht-)Umgang der Stadt Jena mit dem Thema NSU-Komplex stehen und verdeutlicht, dass auch weiterhin ein umfangreiches Aufarbeitungs- und Gedenkkonzept fehlt. An dieser Stelle dokumentieren wir deshalb chronologisch den Prozess der Neubenennung. Am Ende ziehen wir ein kurzes, vorläufiges Fazit und stellen Forderungen auf.

Beteiligungsprozess

  • 2017 bis 2018 fand im Jenaer Stadtteil Winzerla-Nord im Rahmen der städtebaulichen Quartiersentwicklung ein Beteiligungsprozess statt, organisiert durch den Fachdienst Stadtentwicklung und Landschaftsarchitekten von „gruppe f“. Ein Ergebnis war u.a. die Orientierung im Stadtteil zu verbessern und namenlosen Orten eine Benennung zu geben
  • Im Oktober 2017 zur Planungswoche von „gruppe f“ konnten Menschen des Stadtteils Namensvorschläge auf Tafeln schreiben und diese einreichen. Bei der öffentlichen Vorstellung der Planungsergebnisse wurden pro Platz/Weg 5 Namen in die engere Auswahl genommen.
  • Das Thema wurde in der Stadtteilzeitung Winzerla aufgegriffen und alle Menschen im Stadtteil konnten von 01.November bis 14.Dezember 2017 im Stadtteilbüro abstimmen. Das Ergebnis wurde dem Ortsteilrat übermittelt. Dabei kam es beim Platz oberhalb der Haltestelle Damaschkeweg folgendes Ergebnis: Enver- Şimşek-Platz: 35 Stimmen, Kernbergblick: 21 Stimmen, Damaschkeplatz: 14 Stimmen, Platz der schönen Aussicht: 4 Stimmen, Terrassenplatz: 0 Stimmen Link zu Artikel
  • Der Ortsteilrat folgt diesem Votum in seiner Abstimmung im Mai/Juni 2018 und bat daraufhin den Oberbürgermeister (OB) den Vorschlag zu unterstützen Blog-Eintrag

Ringen im Kulturausschuss

    • Nach Übermittlung der Abstimmungsergebnisse an den Kulturausschuss der Stadt antwortet der Oberbürgermeister Thomas Nitzsche, dass er den Vorschlag nach Rücksprache mit der Verwaltung nicht unterstützen kann, da
        a) die Adressänderung dem dort ansässigen REWE nicht zugemutet werden kann
        b) unklar sei, warum nur ein Opfer rassistischer Gewalt herausgegriffen würde
        c) ferner machte er einen Alternativvorschlag am Jugendzentrum Hugo in Winzerla solle eine Gedenkplakette angebracht werden
        d) der fragliche Platz in „Platz der Demokratie“ benannt werden.
    • Die Intention des Schreibens schien zu sein, dass der Ortsteilrat den Vorschlag Enver Şimşek Platz selbst zurücknehmen sollte. Antwortschreiben OB vom 2019-03-11
    • In einer kürzlich darauf stattfindenden Bürger*innendiskussionsveranstaltung zu allgemeinen Themen mit dem OB in Winzerla wiederholt dieser seinen Standpunkt zum Thema
    • In dieser Diskussionsveranstaltung wird weiterhin bekannt, dass die Betreiberin des REWE-Marktes bisher gar nicht befragt wurde, ob sie eine entsprechende Neubenennung als (un-)zumutbar empfinden würde
    • Der Ortsteilrat Winzerla und Ortsteilbürgermeister von Winzerla Friedhelm Gebhardt empfanden die Zurückweisung des Vorschlages als wenig respektvoll gegenüber dem demokratischen Mitbestimmungsprozesses
    • Nun wurde der Sachverhalt öffentlich bekannt
    • Mitglied im OTR Günther Platzdasch im Radiointerview
    • Zeitungsartikel OTZ „Warum nur eines Opfers gedenken? NSU-Morde: OB weist Kritik zurück“
    • Statement Linke Jena
    • Pressemitteilung Julia Langhammer (Linke), Marcus Komann (SPD), Katharina König-Preuss (Linke)
    • Artikel in der türkischen Zeitung Sabah
    • Die Netzwerkrunde Winzerla verfasst ein Bittschreiben an die Stadtratsfraktionen Schreiben an die Stadtratsfraktionen
    • Es wird eine Beschlussvorlage von Grüne/Linke in den Kulturausschuss der Stadt Jena eingebracht

a) Der Platz oberhalb der Straßenbahn-Haltestelle Damaschkeweg, im Volksmund als „REWE-Vorplatz“ bezeichnet“, erhält den Namen „Enver-Şimşek-Platz“
b) Der Kulturausschuss empfiehlt im Rahmen des
Boto-Graef-Preises 2021 ein Kunstwerk zur Erinnerung an die Opfer des sogenannten NSU und die Verantwortung der Stadt Jena auszuschreiben, das in räumlicher Beziehung zum genannten Platz aufgestellt wird. In die Jury sind auch Angehörige der Opfer sowie Vertreter*innen der Zivilgesellschaft einzubeziehen.
c) Der Oberbürgermeister wird beauftragt zu prüfen, ob der REWE-Markt seine aktuelle Adresse „Max-Steenbeck-Str. 48“ behalten kann.

1.Kulturausschuss-Sitzung

  • Vor und während der Sitzung veranstalten die Gruppen “NSU-Komplex auflösen” und “decolonize Jena” eine Kundgebung unter dem Motto “Für einen Enver-Şimşek-Platz in Winzerla”
  • Redebeitrag Platzbenennung Winzerla
  • Für die Beschlussvorlage wurde eine Vertagung beantragt und beschlossen, da diese zunächst diskutiert werden sollte. In der Diskussion um den Platznamen wurde unter anderem durch ein Ausschussmitglieder der CDU geäußert, dass Plätze/Straßen sonst nach Personen benannt würden, die etwas geleistet haben und gefragt, ob Enver Şimşek nicht auf seine Opferrolle reduziert würde.
  • CDU-Vertreterin lehnt Antrag ab, da dieser zu kurzfristig und ohne hinreichende Begründung eingegangen sei, eine adequate Vorbereitung sei daher nicht möglich gewesen; sie fordert außerdem den Kontakt zu und die Zustimmung von der Familie Şimşek einzuholen.
  • Als Vertreter von OB Nitzsche ist Jenakultur Werksleiter Jonas Zipf anwesend: Ohne dass die Gründe genau ersichtlich wurden, änderte Nitzsche seine Meinung noch vor dem ersten Kulturausschuss und ließ durch Zipf verlautbaren, er sei unter bestimmten Bedingungen für den Namen Enver-Şimşek-Platz (siehe Videobotschaft).
  • OB Nitzsche ist anscheinend hinreichend opportunistisch, um bei entsprechendem öffentlichen Druck den Vorschlag Enver-Şimşek-Platz mitzutragen
  • Protokoll Kulturausschuss 07.05.19
  • Artikel zu Kundgebung am Volksbad

2.Sitzung Kulturausschuss 21.05.2019, Anbau Volksbad

  • Wieder veranstalten die Gruppen “NSU-Komplex auflösen” und “decolonize Jena” eine Kundgebung für die Platzbenennung in Enver-Şimşek-Platz
  • Plötzlich scheint das Stimmungsbild durchweg positiv zu sein und alle Mitglieder des Ausschusses stimmten für den Antrag.
  • Ergänzungsantrag von CDU wird angenommen.
    • Der Oberbürgermeister wird beauftragt die Zustimmung der Familie einzuholen.
    • Der Oberbürgermeister wird beauftragt mit dem anliegenden REWE Markt zu klären, ob die Adressänderung akzeptiert wird.
  • Protokoll Kulturausschuss 21.05.19
  • Artikel OTZ zum Beschluss

Die Gedenkplakette am Platz

Am neu zu weihenden Platz in Gedenken an Enver Şimşek, soll neben dem üblichen blauen Straßenschild auch auch eine größere Gedenkplakette aufgestellt werden, die über die Hintergrunde des Mordes informiert und auch an die weiteren bisher bekannten Mordopfer des sogenannten NSU erinnert.
Über Platz- und Straßenbenennungen entscheidet der Kulturausschuss der Stadt Jena. In den Abstimmungsprozess wurden mehrere Vorschläge eingebracht, die auf Grund der Verzögerung durch die Corona-Pandemie breiter und öffentlicher diskutiert wurden, als ursprünglich geplant.

Anfang März 2020 werden mehrere Textentwürfe von Seiten der Stadt Jena entwickelt. Beauftragt wird der Stadthistoriker, Rüdiger Stutz, welcher einen ersten Entwurf verfasst. Der Werksleiter von JenaKultur, Jonas Zipf ergänzt diesen später. Beide Vorschläge werden dem Beraterkreis des Runden Tisches für Demokratie zur Rückmeldung vorlegt. Dieser entwickelt auf dem Entwurf aufbauend einen eigenen Text und fordert eine öffentliche Diskussion am Runden Tisch. Zu diesem Zeitpunkt ist die Platzweihe für den 16.05.2020 terminiert, was die Erstellung des Plakatettentextes und die Produktion des Schildes unter erheblichen zeitlichen Druck setzt, ein öffentliche Diskussion der Textentwürfe außerhalb des Kulturausschusses ist zeitlich unter diesem knappen Zeitrahmen von offizieller Seite nicht angedacht gewesen.

Kurz darauf werfen die Auswirkungen der Coronapandemie alle bis dahin bestehenden Zeitpläne um.
Durch die Aussetzung des Weihetermins ergibt sich die Möglichkeit, die Textentwürfe am 25.05.2020 öffentlich am Runden Tisch für Demokratie zu diskutieren. Im Auftrag von JenaKultur entwickelt Ayşe Güleç (Pädagogin, Autorin und Mitbegründerin des bundesweiten Bündnisses NSU-KOMPLEX AUFLÖSEN) einen weiteren Textvorschlag, der in die Diskussion eingebracht wird und breite Zustimmung erfährt. An der öffentlichen Diskussion beteiligen verschiedene Akteuere der Stadt Jena, u.a. der Migrationsbeirat, Vertreter des Aktionsbündnisses gegen Rechts, aber auch wir als lokale Gruppe des Bündnisses NSU-Komplex auflösen. Als städtische Vertreter waren der Werkleiter von JenaKultur, Jonas Zipf, aber auch der Oberbürgermeister Dr. Thomas Nietzsche vor Ort und nahmen die Anmerkungen aus der Diskussion auf.

Am 16.06. erfolgte in erster Lesung die Vorstellung der unterschiedlichen Textentwürfe im Kulturausschuss der Stadt Jena in nicht öffentlicher Sitzung. Keiner der eingereichten Textvorschläge konnte auf Anhieb eine Mehrheit finden und es gründete sich eine Arbeitsgruppe aus verschiedenen Vertreter*innen der demokratischen Parteien, die im Ausschuss vertreten sind.

Am 30.06. legte die Arbeitsgruppe einen vorläufigen Textentwurf vor, der dieses Mal in öffentlicher Sitzung im Kulturausschuss, geleitet durch den Vorsitzenden Dr. Jörg Vogel, besprochen wurden. Die Abgeordnete der Partei DIE LINKE, Dr. Beater Jonscher, beantragte für einen Vertreter unserer Gruppe Rederecht im Ausschuss, was diesem durch die Ausschussmitglieder zu erkannt wurde. So konnten wir uns als Gruppe, neben dem Mitarbeiter des Stadtteilbüros Winzerla, Markus Meß, am Austausch zum nun vorliegenden Text beteiligen. Als wesentliche Diskussionspunkte stellten sich der Bezug zum Stadtteil Jena-Winzerla heraus, ob dieser eine Erwähnung als wesentlicher Ort der Politisierung des späteren Kerntrios de NSU erfahren sollte. Aber auch der Abschlusssatz der Plakette erzeugte Uneinigkeit, sollte sie doch in besonderer Weise auf die aus der Mordserie folgende Verantwortung der Jenaer Stadtgessellschaft verweisen und zum Ausdruck bringen. Außerdem ist die Aufnahme eines Qr-Codes auf die Plakette vereinbart, die auf eine Webseite mit weiterführenden Informationen zum NSU-Komplex und den Morden leiten soll.
Am Ende der Debatte wurde der Text nochmals zurück an die Arbeitsgruppe gegeben unter Verweis, dass die Abstimmung zwingend am 14.07. erfolgen muss, da sonst der Zeitplan zur Produktion der Plakette gefährdet sei. Die Platzweihe ist gegenwärtig für Ende September bis Anfang Oktober geplant.

Die endgültige Abstimmung zum Text fand am am 14.07.2020, 19 Uhr im Volkshaus Jena in öffentlicher Sitzung stattfinden. Die Beschlussfassung soll die Rückmeldung des Beraterkreises des Runden Tisches für Demokratie und der Familie Şimşek berücksichtigen. Der vorliegende Textentwurf der Arbeitsgruppe mit Stand 08.07.2020 wurde am 14.07.2020 einstimmig durch den Kulturausschuss beschlossen.

Der Text lautet:

Im Gedenken an
Enver Şimşek
Am 9. September 2000 wurde Enver Şimşek – 38 Jahre, Blumenhändler aus Hessen – an einer Eingangsstraße in Nürnberg niedergeschossen. Zwei Tage später erlag er seinen Verletzungen. Er hinterließ Ehefrau und zwei Kinder.

Enver Şimşek gilt als das erste Opfer der rassistisch motivierten Mordserie des rechtsterroristischen Netzwerks „Nationalsozialistischer Untergrund“. Zwischen 2000 und 2007 wurden zehn Menschen am helllichten Tag an ihren Geschäfts- und Arbeitsorten ermordet. Bekannt sind:
⬩ Enver Şimşek ⬩ Abdurrahim Özüdoğru ⬩ Süleyman Taşköprü ⬩ Habil Kılıç ⬩ Mehmet Turgut ⬩ İsmail Yaşar ⬩ Theodoros Boulgarides ⬩ Mehmet Kubaşık ⬩ Halit Yozgat ⬩ Michèle Kiesewetter
Obwohl es Hinweise der Angehörigen auf rassistische Tathintergründe gab, sahen diese sich jahrelang Vorurteilen und Verdächtigungen durch Behörden und Öffentlichkeit ausgesetzt.
Die drei Haupttäter und mehrere Mitglieder des unterstützenden Netzwerks stammen aus Jena. Hier haben sie ihr rassistisches und menschenverachtendes Weltbild entwickelt.
Daraus erwächst die Verpflichtung, zu erinnern, zu mahnen und allen rassistischen Tendenzen entschieden entgegenzutreten.

Die Würde des Menschen ist unantastbar.

Platzweihe

Die Platzbenennung wird im Amtsblatt 10/20 der Stadt Jena vom 12.03.2020 offizielle zur Vollziehung angekündigt. Der Enver-Şimşek-Platz wird zukünftig auf der Gemarkung Winzerla, Flur 5, Teilfläche von Flurstück 519/3 entstehen.

Die Platzweihe wurde durch die Eindämmungsmaßnahmen im Zusammenhang mit COVID-19 verschoben, nun aber am 19. September 2020, 11 Uhr stattfinden. An der Feier werden Angehörige der Familie Şimşek, Vertreter*innen des Landes Thüringen als auch der Stadt Jena teilnehmen. Die Platzweihe wird durch eine solidarische Kundgebung unter dem Titel „Niemand ist vergessen – In Gedenken an Enver Şimşek“ begleitet.

Fazit & Forderungen

Voraussichtlich wird es in absehbarer Zukunft einen Enver-Şimşek-Platz in Winzerla geben. Wie bereits einleitend geschrieben, betrachten wir dies als Erfolg und begrüßen die Entscheidung. Der angedachte Platz stellt im Stadtteil einen zentralen Ort des öffentlichen Lebens dar. Durch die Nähe der Straßenbahnhaltestelle, kann er als eine Art “Tor zu Winzerla” angesehen werden und aufgrund des Supermarktes, ist er zusätzlich sehr belebt. Insofern stellt er aus unserer Sicht einen würdigen Ort dar, um an Enver Şimşek zu erinnern.
Eine mögliche Gefahr sehen wir darin, dass Nazis die Plaketen/Straßenschilder beschädigen könnten, wie es bereits an anderen Gedenkorten in anderen Städten geschehen ist. Wir werden solche Entwicklungen beobachten, sobald der Platz offiziell benannt und eingeweiht ist. Weiterhin verdeutlichen die anfänglichen Versuche seitens des OB Nitzsche, die Idee des Enver-Şimşek-Platz im Keim zu ersticken, einen völlig unangemessenen Umgang mit dem Thema NSU-Aufarbeitung. Während dem Ortsteilrat von Winzerla für seine klare Haltung ausdrücklich zu danken ist, fiel der Spitze der Stadtverwaltung diese Initiative eher als glückliche Fundsache zu, die der OB anfangs sogar zu verhindern versuchte. Auch fehlt weiterhin ein Aufarbeitungs- und Gedenkkonzept der Stadt. Keinesfalls darf die Stadt Jena sich unter Verweis auf die Platzneubenennung in Winzerla auf eine “jetzt ist genug”-Argumentation zurückziehen. Einerseits muss angesichts der obigen Chronik vermutet werden, dass genau dies passieren könnte; andererseits verdeutlicht der Prozess auch, dass öffentlicher Druck durchaus etwas bewegen kann.

Unsere Forderungen bleiben bestehen:

  • Es bedarf eines Konzepts, welches ein würdiges Gedenken an die Opfer des NSU an zentralen Orten in Jena gewährleistet
  • Es bedarf der weiteren Aufarbeitung der Entstehungsbedingungen des NSU-Komplexes in Jena in den 1990er Jahren
  • Zur Aufarbeitung gehört auch eine aktive Erinnerungspolitik durch die Stadt
  • Erinnern heißt auch Aufklärungsarbeit zu leisten und sicherzustellen, dass künftige erwachsene Jenaer Bürger*innen ein Bewusstsein dafür erlangen, dass der NSU aus Jena kam. Denn wer Rechtsterrorismus verhindern will, muss seine Entstehung aufarbeiten!
  • NSU-Komplex auflösen, auch in Jena!

Pressebeiträge anlässlich Platzweihe

Doch der Kampf um Erinnerung und Aufarbeitung in Jena geht weiter. Hier gelangt ihr zu unserem Rückblick auf die Platzweihe inklusive aller gehaltenen Reden.

Umbenennung Haltestelle Damaschkeweg in Enver-Şimşek-Platz

Bereits mit der Platzweihe wurde aus der Zivilgesellschaft heraus der Wunsch artikuliert, auch die nahe Haltestelle Damaschkeweg in Enver-Şimşek-Platz umzubenennen, dennoch brauchte es einen erneuten Anstoß des Vorhabens ein Jahr später. Die Haltestelle ist neben der Endhaltestelle Winzerla die zentrale Haltestelle des ÖPNV für den Stadtteil. Mit der Besetzung des Areals durch rechte Jugendgruppen in den 1990er Jahren und AnhängerInnen der rechten Szene bis hinein in die Gegenwart kann der Haltestellenbereich durchaus als Angstraum für Personen beschrieben werden, die nicht in das verengte rechte Weltbild passen. Die Haltestellenumbenennung sollte ein stadtweites Zeichen gegen diesen Zustand setzen und an Enver Şimşek erinnern.

Vor Beginn des Beschlussverfahrens wurden die Angehörigen von Enver Şimşek um ihre Zustimmung gebeten, der sie nach Aussage des Oberbürgermeisters entsprachen. Der Umbenennungsvorschlag wurde am Runden Tisch für Demokratie am 04.10.2021 eingebracht und diskutiert. Dabei wurde vor allem die Problematik der Namensschreibweise von Enver Şimşek diskutiert, die sich aus einem fehlenden Schriftfonts in der elektronischen Fahrgastinformationssoftware bei der Jenaer Nahverkehr GmbH ergab. Dieser Schriftfonts enthielt kein „S“ mit Cedille, wie es für eine korrekte Schreibweise notwendig wäre. Neben der aufwendigen Implementierung des Schriftsatzes, stellten sich die damit verbundenen erheblichen Beschaffungskosten als Hürde dar. Analoge Druckformat wie etwa Streckennetzpläne oder die Haltestellenbedruckung würden korrekt bedruckt werden können. Der Runde Tisch entschied sich dennoch für die Unterstützung des Umbenennungsvorschlages im Sinne der Sichtbarkeit des Anliegens unter der Voraussetzung der zeitnahen Anschaffung eines entsprechenden Schriftsatzes.  Die Benennung von Haltestellen liegt im Zuständigkeitsbereich des Jenaer Nahverkehrs. Die Stadt Jena kann als alleiniger Anteilseigner mit Zustimung des Kulturausschusses der Stadt Jena eine Umbenennung erwirken. Am 06.10.2021 tagte der Ortsteilrat Jena-Winzerla zum Punkt der Umbenennung der Haltestelle. Das Votum des Ortsteilrates ergab kein klares Votum für die Umbenennung sondern eine Pattsituation. Am 30.11.2021 fand die Sitzung des Kulturausschusses statt, wobei die Umbenennung der Haltestelle mit 8 Ja- zu 1 Nein-Stimme beschlossen wurde. Mit dem Fahrplanwechsel am 15.12.2021 trat die Änderung in Kraft. Die Stadt Jena gab hierzu eine Pressemitteilung heraus.